Konkrete Verweisung in der BU-Versicherung:
Zahlt der Versicherer weiterhin Ihre BU-Rente, wenn Sie trotz Berufsunfähigkeit in einem anderen Beruf tätig sein wollen?
Ärzte und Zahnärzte wollen trotz Berufsunfähigkeit oftmals noch im Arztberuf tätig sein
Der Verzicht auf die sogenannte abstrakte Verweisung ist heute bei allen guten Berufsunfähigkeitsversicherungen für Ärzte und Zahnärzte Usus und unverzichtbar.
Ist die abstrakte Verweisung vertraglich vereinbart, darf die Berufsunfähigkeitsversicherung einen berufsunfähigen Arzt oder Zahnarzt nicht auf eine Tätigkeit verweisen, die der Berufsunfähige unter Wahrung seiner Lebensstellung und seiner Ausbildung und Fähigkeiten ausüben könnte. So könnte ein Arzt beispielweise nicht auf eine nur theoretisch mögliche Tätigkeit in der Pharmaindustrie verwiesen werden.
Ärzte und Zahnärzte üben jedoch ihren Beruf oft aus einer inneren Berufung heraus aus: Sie verspüren den Wunsch, anderen Menschen helfen zu wollen und haben aus diesem Motiv heraus ihre Berufung zum Beruf gemacht. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Ärzte und Zahnärzte, die im Laufe ihres Berufslebens schwer erkranken und infolgedessen in ihrem ausgeübten Arzt- oder Zahnarztberuf berufsunfähig werden, nicht selten unter Einsatz all ihrer Kräfte versuchen, zumindest in einem anderen Arzt- oder Zahnarztberuf weiterhin helfend tätig zu sein. Vorstellbar wäre es auch, dass der Betroffene eine Facharztausbildung eines anderen ärztlichen Berufsbildes absolviert, in dem er noch in Vollzeit arbeiten könnte.
Alternativ hätten diese Ärzte und Zahnärzte zudem aufgrund ihrer qualifizierten Ausbildung die Möglichkeit in anderen medizinischen oder zahnmedizinischen Tätigkeitsfeldern zu arbeiten, sofern sich dies mit ihren gesundheitlichen Verhältnissen vereinbaren ließe. Denkbar wären beispielsweise Tätigkeiten als medizinischer Gutachter, als Fachbuchautor oder auch Tätigkeiten in der Pharmaindustrie oder im öffentlichen Gesundheitswesen.
Doch wie sieht es in solchen Fällen mit dem privaten Berufsunfähigkeitsschutz für einen betroffenen Arzt oder Zahnarzt aus?
Macht ihnen ihre Berufsunfähigkeitsversicherung nicht einen Strich durch die Rechnung und streicht ihnen die vertraglich zugesagte Berufsunfähigkeitsrente, wenn diese Ärzte oder Zahnärzte tatsächlich eine andere Tätigkeit ausüben?
Begründen könnte der Berufsunfähigkeitsversicherer die Leistungseinstellung schließlich damit, dass der berufsunfähige Arzt oder Zahnarzt nun ja tatsächlich eine andere Tätigkeit ausübt und damit möglicherweise ein ausreichendes Einkommen bezieht.
Doch darf dies der Berufsunfähigkeitsversicherer wirklich?
Folgendes vereinfachtes Beispiel soll etwas Klarheit in diese komplizierte Problematik bringen:
Beispiel:
Ein in einer Klinik angestellter operierender Orthopäde mit einem Jahreseinkommen von 90.000 € erleidet einen schweren Bandscheibenvorfall, der es ihm unmöglich macht, seine bisherige ärztliche Tätigkeit zu mehr als 50% im bisherigen Umfang weiter auszuüben.
Seine private Berufsunfähigkeitsversicherung erkennt die Berufsunfähigkeit an und überweist ihm monatlich die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente von 2.500 €. Nach zahlreichen Therapien und einer Bandscheibenoperation verbessert sich sein Gesundheitszustand und es ist ihm nunmehr möglich, als beratender Orthopäde zu arbeiten. Operierend tätig sein kann er nach medizinischen Befunden nach wie vor nicht. Er findet eine Ganztagsstelle in einer kleinen orthopädischen Arztpraxis und erhält von fortan ein jährliches Gehalt von 70.000 Euro.
Nun stellt sich die Frage, ob der Versicherer die monatlichen Rentenzahlungen von 2.500 € weiterhin überweisen muss oder ob er nun die Rentenzahlungen einstellen darf, da der Orthopäde auf die tatsächlich ausausgeübte Tätigkeit als beratender Orthopäde konkret verwiesen werden kann? Und schließlich kann er doch mit einem Jahresgehalt von 70.000 Euro ebenfalls ganz gut leben.
Konkrete Verweisung: Die Ausübung einer anderen Tätigkeit kann für den Arzt dazu führen, dass der Versicherer die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente einstellt
Die Antwort ist nicht einfach zu finden und hängt von den im Versicherungsvertrag verankerten Bedingungen und ggf. von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Im Normalfall sehen die Versicherungsbedingungen nahezu aller Berufsunfähigkeitsversicherungen für Ärzte und Zahnärzte ein konkretes Verweisungsrecht vor. Hiernach darf der Versicherer die Leistung verweigern, wenn der Versicherte eine andere zumutbare Tätigkeit tatsächlich ausübt.
Bedingungsgemäß ist eine konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Arzt oder Zahnarzt meist nur zulässig, wenn die versicherte Person tatsächlich eine andere berufliche Tätigkeit ausübt, die
- ihrer Ausbildung und Fähigkeiten
- und ihrer Lebensstellung
entspricht.
Die Lebensstellung ergibt sich in der Regel aus dem sozialen Ansehen des Berufes und dem beruflichen Einkommen. Die Vergütung darf dabei nicht spürbar unter das Niveau des zuletzt in gesunden Tagen erzielten Einkommens absinken.
Gerade bei der Bemessung der zumutbaren Einkommenseinbuße bleiben die Versicherer schwammig. Sie berufen sich dabei in ihren Vertragsbestimmungen zur Berufsunfähigkeitsversicherungen für Ärzte und Zahnärzte nicht selten auf die zumutbaren Einkommensminderungen nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Doch diese gefällten Urteile sind Einzelfallentscheidungen, die Einkommenseinbußen in einer größeren Bandweite zuließen und dadurch auch Rechtsunsicherheit schufen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte liegt dabei die Bandbreite der zumutbaren Einkommenseinbuße zwischen ca. 10% bis 30%, wobei sich die jüngsten oberlandesgerichtlichen Urteile eher zwischen 20% bis 25% eingependelt haben.
Es gilt der Grundsatz: Je höher das ursprüngliche Einkommen war, desto höher darf die zumutbare Einkommensminderung in der neu ausgeübten anderen Tätigkeit sein und umgekehrt.
Nur eine vertraglich eindeutig definierte zumutbare Einkommensminderung sorgt für Rechtssicherheit
Deshalb sollte in den Regelungen zur konkreten Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung eindeutig geregelt sein, ab welcher Einkommenseinbuße eine Verweisung nicht mehr möglich ist.
Gute Berufsunfähigkeitsversicherungen für Ärzte oder Zahnärzte verzichten auf die konkrete Verweisung, wenn die Einkommensminderung mehr als 20% beträgt. Zudem sollten die Vertragsbedingungen ergänzend einen geringen Prozentsatz zulassen, falls die höchstrichterliche Rechtsprechung einen geringeren Prozentsatz zugunsten des Versicherten als nicht zumutbare Einkommensminderung festlegt.
Lösung des Beispielfalles: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass obiger Orthopäde bedingungsgemäß in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als operierender Orthopäde wegen gesundheitlichen Einschränkungen berufsunfähig ist und deshalb Anspruch auf die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 2.500 Euro hat. Diesen Leistungsanspruch hatte der Versicherer auch anerkannt.
Durch die Neuaufnahme einer konkreten anderen Tätigkeit als nicht operierender Orthopäde läuft der in seinem alten Beruf als operierender Orthopäde Berufsunfähige nun Gefahr, dass er vom Versicherer konkret auf diese neue Tätigkeit verwiesen werden kann und dieser seine laufenden Rentenzahlungen einstellt.
Ob diese neue andere Tätigkeit seiner Ausbildung und Fähigkeiten entspricht und seinem sozialen Ansehen, soll an dieser Stelle ungeprüft bleiben. Vermutlich ist dies anzunehmen, so dass diese „Verweisungsvoraussetzungen" für sich allein genommen wohl eine Verweisung zulassen würden.
Doch ist die Einkommenseinbuße für den Orthopäden hinnehmbar? Sie beträgt immerhin mehr als 20% und ist sicherlich schon in seiner Haushaltskasse spürbar.
Spätestens an dieser Stelle zeigt sich wie bedeutsam eindeutige rechtsverbindliche Regelungen in den Versicherungsbedingungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Arzt oder Zahnarzt sind. Ist nämlich bedingungsgemäß vereinbart, dass bei einer Einkommensreduzierung von 20% oder mehr der Versicherer nicht konkret verweisen darf – dann erhält der versicherte Orthopäde seine vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 2.500 Euro neben seinem Gehalt. Ist keine konkrete Einkommensreduzierung vereinbart und beruft sich der Versicherer lediglich auf die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung beginnt unter Umständen ein Rechtsstreit darüber, was nun als Einkommenseinbuße hinnehmbar ist und was nicht.
Regelungen zu den zumutbaren Einkommenseinbußen bei der konkreten Verweisung sollten auch für die Ausübung einer anderen ärztlichen oder zahnärztlichen Tätigkeit gelten
Mindestens ein Versicherer mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Arzt oder Zahnarzt verzichtet ganz auf die konkrete Verweisung, wenn der berufsunfähige Arzt eine andere Tätigkeit ausübt, die nicht zum Berufsbild eines Arztes oder Zahnarztes gehört (nicht ärztliche oder nicht zahnärztliche Tätigkeit) gehört.
Fatal ist jedoch, dass gerade bei dieser Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Arzt oder Zahnarzt bei der konkreten Verweisung innerhalb des Arzt- oder Zahnarztberufs eine Vertragsregelung enthalten, die eine konkrete zumutbare Einkommensreduzierung, beispielsweise von 20%, nicht exakt festschreibt.
Gerade darauf aber käme es an. Denn dass ein berufsunfähiger Arzt oder Zahnarzt, der aufgrund seiner hohen fachlichen Qualifikation in seiner ärztlichen oder zahnärztlichen Tätigkeit ein hohes Einkommen erzielte, wohl bei der Ausübung einer anderen nichtärztlichen oder nichtzahnärztlichen Tätigkeit ein viel geringes Einkommen erzielen dürfte und diese wohl eher unqualifiziertere Tätigkeit nicht seiner Lebensstellung und sozialem Ansehen entsprechen dürfte, liegt auf der Hand.
Bei der Ausübung einer solchen Tätigkeit könnte die Berufsunfähigkeitsversicherung den Arzt oder Zahnarzt ohnehin nicht konkret verweisen - so dass solch ein Verzicht eher als Marketinggeplänkel gewertet werden sollte.
Viel wichtiger ist es für Sie als Arzt oder Zahnarzt, dass sich die vertraglich konkretisierte zumutbare Einkommensminderung in seiner Berufsunfähigkeitsversicherung bei der konkreten Verweisung auch auf die Ausübung einer anderen ärztlichen oder anderen zahnärztlichen Tätigkeit erstreckt.
Konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung: Die die zumutbare Einkommensminderung sollte maximal 20% betragen
Bei den Regelungen zur konkreten Verweisung in einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollten Ärzte und Zahnärzte darauf achten, dass sie nicht konkret auf eine andere ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden dürfen, wenn die Einkommenseinbuße 20% oder mehr beträgt.
Die 20%-Regelung sollte auch gelten, wenn der in seiner ärztlichen Tätigkeit berufsunfähige Arzt oder Zahnarzt eine andere ärztliche oder andere zahnärztliche Tätigkeit konkret ausübt!
Ergänzend sollten die Vertragsbestimmungen eine geringe Einkommensminderung zulassen, falls die höchstrichterliche Rechtsprechung einen geringeren Prozentsatz als nicht zumutbare Einkommensminderung festlegt. Dies sollte ohne Wenn und Aber eindeutig formuliert sein.
Regelungen, die sich allein bei der Bemessung der zumutbaren Einkommensreduzierung an den Urteilen des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte orientieren, sollten vermieden werden, da diese zu viele Interpretationsmöglichkeiten für Ermessensentscheidungen des Versicherers zulassen.
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